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биография |
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Wenn es mir
schon nicht gelungen ist, eine autobiographische Abhandlung
zu vermeiden, so mochte ich in ihr einen Sinn fin-den,
namlich eine uberschaubare Lebensintention. Ein Gesicht soll
mir vom Blatt entgegenschauen, den Keim einer Botschaft
mochte ich horen. Sollte mein Leben eine Botschaft sein,
sollte ich es sogar nicht wissen, von wem und an wen, will
ich trotz-dem, sei es auch nur zu einem geringen Teil, mit
diesen beiden etwas gemeinsam haben, mit dem, der sendet,
und mit dem, der empfangt. |
Der wichtigste
Lehrer und Freund meines bisherigen Lebens war mein Vater
Israel Schapiro, schlechter Dichter, geheimer Rabbiner,
uneigennutziger Wirtschaftsprofessor, Rotarmist, De-serteur,
Landwehrheld, Kunstsammler, ewig Verliebter, Priester der
Hoffnung, in seiner Jugend Vielfra. und im Alter Asket. Sein
Kosmopolitismus war so konsequent, da. nicht einmal die
sozialen Grenzen fur ihn gelten konnten, er hatte Freunde in
al-len Schichten, half allen, wie es nur moglich war, und
verab-scheute „Dwojeduschije“ (etwa Doppelzungigkeit mit
Selbstbe-trug), sein Wort, das ich nicht zu ubersetzen
vermag und mit dem er eine Art Unmenschlichkeit nannte.
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Meine
Mutter dagegen... Es ist eigentlich sehr schwer zu sagen,
gegen was, aber es war immer dagegen. Vater nannte sie die
Verkorperung-der-Sowjetmacht und betrog sie so kunstvoll und
virtuos, wie jedes Volk die Macht des Eroberers betrugt, bis
es sein Wesen verliert oder stirbt. Knapp zwei Wochen,
nachdem die Arzte Vaters Tod festgestellt hatten, weigerten
sich die Sani-tater, ihn in die Totenkammer zu schleppen,
weil er immer wie-der meinen Namen rief, segnete und
murmelte, da. er nur warte, bis ich komme. In dieser Zeit
belagerte ich die sowjetische Bot-schaft in Bad Godesberg
mit einem Sitzstreik am Eingang in den |
Botschaftspalast am
Rheinufer, um das Einreisevisum zu erlan-gen. Er starb
endgultig in der Stunde, in der mein Flugzeug in
Moskau-Scheremetjewo landete. Mutter und Vater liebten
ein-ander auf zwei ganz verschiedene Arten, und im alten
Bot-schaftspalast am Rheinufer ist jetzt ein
Antiquitatenhaus einge-richtet, allerdings nicht deswegen.
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Meine
Ausbildung fing im Alter von funf Jahren an, als gro.ere
Stra.enkinder mich verprugelten und erklarten: „Weil ihr
judi-sche Schweine seid und du ein judisches Ferkel bist.“
Zu Hause beklagte ich die hochste Ungerechtigkeit, ich sei
als Jude ver-prugelt worden, wo ich doch keiner sei und
uberhaupt! Dem meinte Vater abhelfen zu konnen, und die Zeit
sei sowieso reif. Wenige Tage spater brachte er eine
herrliche Bibel mit den Do-reschen Illustrationen nach Hause,
die ich sogar mit ins Bett nehmen durfte. Mutter schrie
etwas von Opium fur das Volk, Vater erzahlte mir die
Geschichte der Juden, wahrend ich die erhabenen Bilder
anschaute. |
Einige Zeit
spater, als wir uber die nazistische Endlosung und den
gegenwartigen Antisemitismus sprachen, wollte ich wissen,
wie es mit den Menschen in der fern-fernen Zukunft sein wird.
Da erzahlte Vater, da. irgendwann, wenn die Menschen geistig
und seelisch so reif werden, da. sie sich nicht vom
Nutzlichen, sondern vom Guten regieren lassen werden,
irgendwann, wenn wir es schaffen, unser Wissen nicht zu
mi.brauchen und unser Leben nicht zu vergeuden, ein heller
Tag sein wird und Freude uber der Erde und der Messias kommt
und die Toten auferstehen werden, weil der Tod dem Geiste
widerspenstig ist. Es wird das Ende unserer Welt sein, es
wird der Anfang eines neuen geisti-gen Lebens, dessen Kommen
von uns allen abhangt. Damals ha-be ich fast nichts
verstanden, doch war ich durch Vaters Begei-sterung
mitgerissen und wollte gluhend, da. die Toten auferste-hen
und da. man nicht mehr stirbt. |
So war ich
fest entschlossen, ein Arzt zu werden, der die Toten
wiederbeleben kann, und um diesem Beruf naher zu kommen,
habe ich mich nach dem siebenten Schuljahr bei einer
Feld-scher- und Krankenpflegeschule angemeldet. Doch wurde
mir sehr bald klar, da. das Medizinstudium allein mir die
dazu er-forderlichen Qualitaten nicht verleihen kann, und
nach kurzer Umschau in der Biologie und Chemie entschlo. ich
mich fur das grundliche Studium der Physik und Mathematik.
Au.erdem be-suchte ich Vorlesungen und Seminare in Logik,
Philosophie, Wirtschaftstheorie, Linguistik, Stillehre,
Sprachgeschichte und vieles mehr und saugte alles auf, was
dem Verstehen von Geist und Leben helfen konnte.
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Die ausgeubten
Tatigkeiten mu. ich eigentlich auch zur Ausbil-dung zahlen,
denn man lernt immer und jeder Tag ist neu. Inge-nieur,
Schlosser, Dreher, Lehrer, Leichenschieber, Stra.enkeh-rer,
Heilgehilfe, Buchbinder, Offsetdrucker, Referent,
Wissen-schaftlicher Angestellter, Landarbeiter,
Hochschullehrer, aus dem biographischen Kontext genommen,
sagt das gar nichts, so wie ein paar Worter, die auf den
Meeresstrand gekritzelt sind, nur die Skizze eines Gedichts
sein konnen. |
Keine
spezifischen Probleme, Hoffnungen oder Ziele unter-scheiden
mich von den anderen Menschen, noch von den Tieren, aber
vielleicht die Art zu glauben, zu der ma.lose Skepsis und
eben solche Faszination gehoren. |
„Warum
schreiben Sie? Was ist der Sinn des Schreibens?“ – fragen
Sie beilaufig. Ich mag das Schreiben nicht, wie man eine
zwingende Notwendigkeit nicht mogen kann.
Gedachtnisschwa-che ist der Grund furs Schreiben und das
Leben ist sein Sinn. Alles Lebendige schreibt und liest. Die
meisten schreiben nur in der Molekularsprache ihres Erbguts
oder mit den Verletzungs-spuren auf ihrer und anderer Haut,
aber immer ihre Geschichte und Erlebnisse. Wir alle sind
Bucher, das ganze Universum ist |
eine Bibliothek, und es gibt
Einen Leser und Autor. Manche Bucher dieser Bibliothek
wollen etwas bewirken und bewegen, dann mussen sie die sich
selbst schreibenden Bucher werden. Ihr freier Wille wird
daran gemessen, wieviel sie von sich selbst schreiben konnen.
Ihr geistiger Teil wird mit Worten geschrie-ben. So kommt
die Mit-ver-Autor-Wort-ung zustande, Mitver-antwortung zu
Deutsch. Das ist menschlich. Denken und lieben konnen auch
andere Tiere und uberhaupt, es gibt eine gro.e Ahnlichkeit
zwischen dem Ganzen und seinen Teilen. |
Auch ich
mochte etwas bewirken und bewegen. Ich mochte, da. die
Menschen sich nicht nur vom Nutzlichen, sondern vom Gu-ten
regieren lassen, da. unser Wissen nicht mehr mi.braucht wird,
da. die Menschen lernen, ihr Leben nicht zu vergeuden. Und
ich mochte, da. die Toten auferstehen und da. man nicht mehr
stirbt. Die ganze Bibliothek ist fur uns offen, und die
Spra-che ist sowieso in allererster Linie Musik. Ich wei.
nicht, wie berechtigt ich mich Schriftsteller nennen kann,
mir geht aber der Sinn dieser alten Uberlieferungen auf, und
ich mochte buchstab-lich verstanden werden. |
Das ganze
vielfaltige kooperative Schreiben und Lesen, Geben, Nehmen
und Tauschen ist die Basis der Bibliothek. Die Wissen-schaft
daruber soll Sprachphysik hei.en, die Praxis ist das Sein.
Beim Nutzlichen geht es um die Verteilung, beim Guten um die
Entscheidungsfahigkeit. So ware die Reduktion des Guten auf
das Nutzliche der Freiheitsraub, und ohne die Freiheit des
Wil-lens gibt es keine Humanoiden. Deshalb sind alle
totalitaren Sy-steme unmenschlich, weil sie die
Entscheidungsfahigkeit des Einzelnen unterdrucken.
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Wir sind
die sich selbst schreibenden Bucher, und das Atmen ist die
Grundform des Schreibens. Prosa und Lyrik unterscheide ich
voneinander nur durch die Arbeitsweise. In meiner Lyrik
kom-muniziere ich unmittelbar mit der Sprache selbst und nur
indi- |
rekt mit dem Leser. Daher
geht es mir primar um die maximale Prazision und um die
musikalische Immanenz des Textes und erst dann um den
menschlichen Adressaten. In der Prosa wende ich mich aber
direkt an die Menschen, allerdings auf der Erfah-rungsbasis
der Kommunikation mit der Sprache. Die Sprache ist fur mich
der Raum, die Bibliothek in ihm das Ganze. Die Schopfung
und das Sein sind in beiden untrennbar. |
In der
Sowjetunion konnte ich keine einzige Zeile veroffentli-chen.
Der Chefredakteur der Zeitschrift „Junost’", Boris Pole-woj,
druckte den Grund dafur so aus: „Ihre Gedichte sind gut
genug, aber unauffangbar und doch deutlich nicht unsere!“
Die-ses „Nicht unsere“ war Ablehnung meiner ganzen
Weltanschau-ung, meiner selbst und meiner Intention. Im
Westen konnte ich bis jetzt nur wenig veroffentlichen, ein
paar Gedichte in rus-sisch- und deutschsprachigen Almanachen
und kleinen Zeit-schriften und in der Reclam-Anthologie der
russischen Lyrik. Au.erdem noch einen Gedichtband „Solo na
flejte“ in russischer Sprache und „Metamorphosenkorn“, das
uberwiegend Uberset-zungen einiger meiner russischen und
auch die ersten deutschen Gedichte enthalt. Fur das seit
1985 fertige Buch „Ein Tropfen Wort“ – eine lyrisch erzahlte
Geschichte eines Intellektuellen, der durch ein totalitares
Regime versklavt wird und durch die Auseinandersetzung mit
der Kunst die Kraft und den Weg zu seinem menschlichen Ich
und zum geistigen Aufstand wieder-findet – konnte ich keinen
Verlag gewinnen1:
Keiner mochte mit einem dem Markt nicht angepa.ten und nicht
als Unterhaltung konzipierten Buch Verluste machen.
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Jeder,
der mehr als nur eine Sprache kennt, wei., da. manches aus
einer Sprache in die andere nicht ubersetzbar ist. Das ist
kein lexikalisches Problem. Jede Sprache tragt in sich die
sprachimmanenten Verhaltensmuster. „Wie sagt man xyz auf
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Deutsch?“ fragte ich einen
Freund und erklarte ihm, was ich meine. „Nirgendwie“, sagte
er, „so tut man auf Deutsch nicht sagen, sonst geriete die
Sprachwelt aus den Fugen.“ Das ist ge-nau der Punkt! Die
Fahigkeit, die Sprachwelten aufzubauen, um in der gegebenen
Sprachwelt nicht versklavt zu bleiben, um ein-ander
verstehen zu lernen und fur die eigene Ethik verantwort-lich
sein zu konnen, diese Fahigkeit ist das Thema meines
nach-sten Buches |
, eine lyrische Aufgabe.
1 Inzwischen
ist das Poem „Ein Tropfen Wort“ veroffentlicht in: NIKEISCHE
LOWIN, Oberbaum Verlag, Berlin 1998. |
Sollte es – frei nach Wilder
– die Aufgabe des Dichters sein, das Gleichgewicht und die
Harmonie zwischen dem Inneren und dem Au.eren herzustellen,
so ist es gerade eine echte Heraus-forderung, wenn das
Innere eine ganz andere Sprachwelt als das Au.ere darstellt,
der naturliche Anfangszustand eines jeden Emigranten.
Deswegen ist die Integration ein existentielles und
literarisches Problem, das sich lange vor der Ausreise
herauskri-stallisiert und als dessen Ergebnis die Emigration
stattfindet. Al-so, die Emigration als ein markanter Schritt
innerhalb des Inte-grationsprozesses. |
Als der Schauproze. gegen
die Burgerrechtler Ginsburg und Galanskow 1969 anfing, zog
mein Doktorvater vor dem Gerichtsgebaude ein Plakat hoch,
auf dem stand: „Ich, Professor der Moskauer Universitat,
Eugen Schapowal, protestiere hiermit gegen das unmenschliche...“
Nach eineinhalb Minuten wurde er verhaftet, in wenigen Tagen
aber freigelassen. Im Parteizimmer der Physikalischen
Fakultat legte mir ein sich nicht mit Namen vorstellender
kahlkopfiger, knorriger Beamter eine vorgefertigte
Zeugenaussage vor, in der stand, da. Schapowal angeblich
seit langem schon die antisowjetische Propaganda unter
seinen Schulern getrieben hatte und eine ideologisch
feindliche Agita-taionsgruppe organisieren wolle. Ich
weigerte mich, das zu un-terschreiben. „Da wirst du sitzen“,
schrie mich der Kahlkopfige |
an, „bis deine Blase
platzt!“ Sechs Stunden spater, als die be-schamenden
Erinnerungen an die nasse Kindheitshose aus mei-nem
Gedachtnis spro.ten, fuhr er mit der Unterhaltung fort: „Na,
Bursche, deine Dissertation kannst du vergessen, nichts
wirst du mehr publizieren konnen...“
2 Das Buch
hei.t NUR DER MENSCH, ist bis jetzt unveroffentlicht und
liegt als Tiposkript vor. |
Naturlich konnte eine
Konfrontation mit dem sich fur allmachtig ausgebenden System
und seinen anachronistischen Beamten al-leine nicht der
ma.gebende Grund fur meine Ausreise gewesen sein. Und die
unangenehmen Folgen dieser Konfrontation konn-ten es auch
nicht. In Folge vieler Ereignisse und beinahe krampfhafter
Versuche zu verstehen, was das ist, das sowjeti-sche System,
bin ich zu dem Schlu. gekommen, da. es ein staatlich
organisiertes Monumentalverbrechen ist, an dem ich nicht
mehr teilnehmen wollte, und ich sah keinen vernunftigen Weg,
es zu bekampfen. Jetzt wei. ich aber, da. mein Schlu. ei-ne
Tauschung war. Das sowjetische System ist kein Verbrechen.
auch wenn es gegen die eigene Gesetzgebung versto.t. Kein
Volk kann Verbrecher sein und kein politisches System ein
Ver-brechen. Moglicherweise war es gerade die sowjetische
Menta-litat oder einfach meine Dummheit, die diesen
Denkfehler verur-sachte, da. ich auf einmal verga., zu was
solche Begriffe wie Volksfeind oder Volksverbrechen fuhren
konnen und hier in Deutschland wie dort in der Sowjetunion
bereits gefuhrt haben. |
Das sowjetische System ist
nicht verbrecherisch und war es niemals, auch zu Stalins
Zeiten nicht. Heute klassifiziere ich das sowjetische System
als eine Staatssklaverei mit allem, was dazu gehort,
einschlie.lich Menschenhandel. Alle Angehorigen des Systems
sind Sklaven, und nur die staatliche Totalitat ist der Herr,
aber keine Person. Das widerspricht dem gar nicht, da. die
Sowjets eine Hochkultur erzeugen und tragen konnen, wie es
auch die archaischen theokratischen Staatssklavereien
vermoch-ten. Die grausamen Massentaten nur als Verbrechen
abzustem-peln, vertuschte die Wirklichkeit und verschonte
ihr Wesen, |
weil es beim Begriff
‘Verbrechen’ nicht um die Grundwerte der Menschlichkeit geht.
Die Selbsterhaltungstriebe, die zu dem Abbau des
Sklavenbewu.tseins verhelfen und die den Menschen in die
Emigration fuhren, machen fur ihn auch die Integration in
der neuen Umgebung moglich. |
Ich verstehe darunter
naturlich nicht, aufzuhoren zum Beispiel Russe zu sein und
anzufangen Deutscher zu werden. Eine mog-liche und sinnvolle
Integration verstehe ich als die Integration in das
Metanationale, das Kosmopolitische. Die Sprache und Kul-tur
des Herkunftslandes konnen, begattet durch die Sprache und
Kultur des neuen Zuhause, zum Sprungbrett in den
menschli-chen Kosmos werden. Das erwarte ich eigentlich von
mir, wenn ich die nationale Idee als Keim der menschlichen
Art und nicht nur als Bindung des Einzelnen verstehe. So ist
doch auch ein Wort ein Keim des Satzes und nicht nur eine
Buchstabenbande. |
Eine Skizze ist es nur,
Punkt, Punkt, Komma, Strich, denn man lernt immer, und jeder
Tag ist neu, und doch kann man das Ge-sicht erkennen, weil
das Ganze und seine Teile ahnlich sind. Die Menschen im
Westen sind durch ihre Geschichte anders. Die Deutschen
haben zum Beispiel im Gegensatz zu den Sowjets ei-ne bessere
Moglichkeit, von ihrer grausamen Vergangenheit Abstand zu
nehmen, sie menschlich zu verarbeiten. Das schlagt sich in
der jeweiligen Sprachwelt nieder. Die mentale Grenze zu
uberwinden ist eigentlich das Allerschwerste, das ist auch
der letzte Schritt des Emigranten, weil derjenige, der es
schafft, kein Emigrant mehr ist. |
Das Ganze ist seinen Teilen
ahnlich. Die Sklavenmentalitat des Einzelnen ist nichts
anderes als das praskriptive Abbild der gan-zen
Sklavengesellschaft, das sogenannte „Unsere“. Vierzig Jah-re
lang mu.te Moses die Juden durch die Wuste Sinai fuhren, um
mit dem Generationswechsel das Sklavenbewu.tsein zu
uberwinden. Wenn wir das verstunden, dann wurden wir viel- |
leicht die vierzig Jahre
nicht warten mussen, um das Sklaven-reich innerlich zu
verlassen. |
Als funfjahriges Kind habe
ich die Botschaft meines Vaters nicht verstanden, aber einen
Keim der Bedeutung in ihr aufge-fangen, die Faszination.
Diese Vorbedeutung war fur mich der rettende Faden im
Labyrinth der eigenen Blindheit. Das hierar-chische
Verhaltnis zwischen der Vorbedeutung und der Bedeu-tung
durchdringt unser ganzes Sein. Die Musik pragt die
Vorbe-deutung fur das Gedicht, das Gedicht pragt sie fur die
Prosa, die Prosa fur die Taten. Die strukturalistische Lehre
uber die Vor-bedeutung habe ich Prasemantik genannt.
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Unfertig, prasemantisch
gepragt und dadurch fa.bar sehe ich heute mein Leben auf dem
Sprachwege. Das ist ein Weg. Meine Hauptlernquelle in
Deutschland war Conradys „Das gro.e deut-sche Gedichtbuch“.
Nur die Wege fuhren weiter. Einen offenen und erfullten Weg
wunscht mir meine Geliebte, und den will ich erreichen.
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Шапиро
Борис (Барух) Израилевич родился 21 апреля 1944 года в Москве.
Окончил физический факультет МГУ (1968). Женившись на немке, эмигрировал
(декабрь 1975) в ФРГ, где защитил докторскую диссертацию по физике в
Тюбингенском университете (1979). В 1981–1987 годах работал в
Регенсбургском университете, занимаясь исследованиями в области
теоретической физики и математической динамики языка, затем был
начальником теоретического отдела в Институте медицинских и
естественно-научных исследований в Ройтлингене, директором
координационного штаба по научной и технологической кооперации Германии
со странами СНГ.
В 1964–1965 годах создал на физфаке МГУ поэтический
семинар «Кленовый лист», участники которого выпускали настенные отчеты в
стихах, устраивали чтения, дважды (1964 и 1965) организовали поэтические
фестивали, пытались создать поэтический театр. В Регенсбурге стал
организатором «Регенсбургских поэтических чтений» (1982–1986) – прошло
29 поэтических представлений с немецкоязычными лириками, переводчиками и
литературоведами из Германии, Франции, Австрии и Швейцарии. В 1990 году
создал немецкое общество WTK (Wissenschaft-Technologie-Kultur e. V.),
которое поддерживает литераторов, художников, устраивает чтения,
выставки, публикует поэтические сборники, проводит семинары и
конференции, организует научную деятельность (прежде всего для изучения
ментальности), деньги на это общество пытается зарабатывать с помощью
трансфера технологий из науки в промышленность. Первая книга стихов
Шапиро вышла на немецком языке: Metamorphosenkorn (Tubingen, 1981). Его
русские стихи опубликованы в сборниках: Соло на флейте (Мюнхен, 1984);
то же (СПб.: Петрополь, 1991); Две луны (М.: Ной, 1995), Предрассудок
(СПб: Алетейя, 2008); Тринадцать: Поэмы и эссе о поэзии (СПб: Алетейя,
2008), включены в антологию «Освобожденный Улисс».(М.:
НЛО, 2004). По оценке Данилы Давыдова, «Борис Шапиро работает на
столкновении двух вроде бы сильно расходящихся традиций: лирической
пронзительной простоты „парижской ноты“ и лианозовского конкретизма»
(«Книжное обозрение», 2008, № 12). Шапиро – член Европейского
Физического общества (European Physical Society, EPS), Немецкого
Физического общества (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V., DPG),
Немецкого общества языковедения (Deutsche Gesellschaft fur
Sprachwissenschaften e. V., DGfS); Международного ПЕН-клуба, Союза
литераторов России (1991). Он отмечен немецкими литературными премиями –
фонда искусств Плаас (1984), Международного ПЕН-клуба (1998), Гильдии
искусств Германии (1999), фонда К. Аденауэра (2000).
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