|
биография |
|
Verkurzt veroffentlicht als
„Theologie – eine
Sache der Vernunft“
in: Judische Zeitung, August 2007, Nr. 08 (24), Seite 19
|
Glaubensbedarf
moderner Juden |
Von Boris und Hella Schapiro |
An hochgelobten Aktivitaten und Lippenbekenntnissen uber den
Glaubensbedarf moderner Menschen fehlt es in unseren Tagen
nicht. Die Bemuhungen daruber kommen aus allen Ecken der
judischen Landschaft. Intensive und hochprofessionelle
orthodoxe Outreach-Arbeit, Aufbruchserfolge der Union
Progressiver Juden, Einverleibung judischer Tradition ins
moderne Leben bei den Konservativen des Masorti, kulturelle
und soziale Integration judischer Kulturvereine und -intiativen,
Bestrebungen judischer Gemeinden das judische Leben zu
starken und zu entwickeln, sie alle muhen sich um die
erfolgreiche Erneuerung der judischen Gemeinschaft in
Deutschland und die Konsolidierung des judischen Lebens.
|
Bei allem dem bleibt die wichtigste Frage „Wie glaubhaft ist
der judische Glaube heute uberhaupt?“ aus dem offentlichen
Diskurs vornehm ausgeklammert. Die offene und heftige
theologische Diskussion in Privatkreisen, in der Judischen
Wissenschaftlichen Gesellschaft, im interreligiosen Dialog,
in den Wohnungen und auf den Privatbuhnen wird von den
offiziellen Vertretern des judischen Lebens, angefangen vom
Zentralrat der Juden bis zu den Vorstanden der judischen
Gemeinden und den Lehrstuhlen fur Judaistik an den deutschen
Universitaten inklusive der Heidelberger Hochschule fur
Judische Studien vollig ignoriert. |
Die uberwiegende Mehrheit der judischen Bevolkerung im
heutigen Deutschland sind Ingenieure, Arzte, Juristen,
Geschaftsleute, Wissenschaftler aller Fachrichtungen,
Mathematiker, Philosophen, Padagogen, Kunstler, Literaten,
Dramatiker, Filmemacher, Journalisten. Sie alle sind
gebildete moderne Menschen. Sie stellen ein enormes
intellektuelles Potential dar. Sie sind glaubig und brauchen
einen Glauben, den sie im Kontext ihres Lebens und ihrer
Leidensgeschichte verantworten konnen. |
Keines der im gesamten Spektrum judischer Geistigkeit
gebotenen Glaubensmodelle ist fur die meisten
Intellektuellen akzeptabel. So entsteht eine paradoxe
Situation. Atheistisch aus Grunden innerer Ehrlichkeit,
steuern und praktizieren die judischen Intellektuellen ihr
religioses Leben uberwiegend kultisch und sozial. Es fehlt
ihnen am inneren Bezug zum Glauben und zu den religiosen
Inhalten des Judentums, welche sie weder als Folklore noch
als Geschichte oder pure Konvention, sondern als ihr
innerstes Bekenntnis und Zentrum ihrer judischen Identitat
leben konnten. |
Seit geraumer Zeit fragen wir uns, wie man den Glauben fur
den modernen Menschen glaubbar machen kann? Auch wir hatten
in den Zeiten des Erwachsenwerdens und des Reifens Zweifel,
atheistischen Negativismus, Angst vor dem Ja zu Gott und zu
uns selbst. Auch wir sind durch Phasen des Hochmuts und der
Ablehnung der Liturgie als theatralische Profanation und
Manipulation der Gefuhle gegangen. Auch wir waren vom
primitiven Materialismus beeinflu.t und hielten die Religion
fur eine ausschlie.lich soziale und psychologische
Angelegenheit. |
Die fortschreitende Lebenserfahrung brachte uns jedoch die
Einsicht, da. nicht Gott das Problem des Glaubens ist,
sondern das Fehlen einer adaquaten Begriffsbildung Gottes,
die einerseits den Anforderungen der wissenschaftlich
gepragten Welt genugt und andererseits Gott nicht bis zum
Verlust des gesunden Vertrauens und der Glaubwurdigkeit
vereinfacht und entstellt. Auch fehlten uns plausible
Kriterien, um die Erkenntnisse der Weisen zu prufen und
glaubwurdig zu verifizieren, was davon das Wesen Gottes
tatsachlich betrifft, und was wegen des Fehlens geeigneter
Denkinstrumente nur einen Tribut an den vergangenen
Zeitgeist darstellte. |
Rationaler
Zugang zu Glaubensfragen |
Neuerungen in Wissenschaft und Technik haben stets die von
alters her vertrauten Uberzeugungen widerlegt und ein neues
Verstandnis des Menschen, seiner Geschichte und seiner
Zukunft bewirkt. Heute hat der wissenschaftliche Fortschritt
fur viele rational denkenden Menschen die Frage nach Gott
uberflussig gemacht. Vielen pa.t Gott nicht mehr in das
moderne Weltbild. |
Solange Gott nicht durch nachvollziehbare Merkmale definiert
ist, wird man uber Seine Existenz weder empirisch noch
theoretisch urteilen konnen. Bei vielen ahnelt das
Verstandnis von Theologie der schon im Marchen gestellten
Aufgabe: „Gehe dahin, ich wei. nicht wohin, und bringe (erkenne)
mir das, ich wei. nicht was, aber schnell und richtig und
vor allem simpel!“ Ein solches Verstandnis kann entweder nur
Nonsens oder eine Beliebigkeit zur Folge haben. |
Unter Theologie
verstehen wir
dagegen eine Lehre uber Gott, deren Ergebnis eine brauchbare
Begriffsbildung Gottes sein soll. Die Rationale Theologie
soll eine solche Begriffsbildung Gottes liefern.
|
Unserer Meinung nach ist die Existenz Gottes heute weder
eine theologische noch eine empirische Frage. Sie ist eine
Frage der Entscheidung. Das gangige wissenschaftliche
Weltbild vermi.t die Kategorie „Gott“ nicht. Alle
philosophischen Gottesbeweise haben sich als inkonsistent
erwiesen. Auch die klassischen Motive fur Gottesglauben wie
Abstammung, Familie, sozialer Status, Krankheit, Alter, Tod
oder die allgemeine Lebensangst sind heute kein zwingender
Grund mehr fur das Bekenntnis zu Gott. Daruber kann nur
jeder einzelne
personlich entscheiden.
|
Die uns von Gott geschenkte Willensfreiheit kann nur dann
tatsachlich und voll zur Geltung kommen, wenn sie auch dafur
benutzt wird, die Entscheidungen uber Gott zu treffen. Auch
Atheisten benutzen ihre Willensfreiheit,
wenn sie uber Gott entscheiden, zum Beispiel, da. es Ihn
nicht gibt. |
Bei dieser personlichen Entscheidung schlie.t man sich
entweder Gott an, wodurch man auch Sein konstitutiver Teil
wird. Oder man schlie.t sich in einer Art Gro.enwahn aus und
definiert sich damit als jemand, der mit der Frage nach Gott
zumindest auf Bewu.tseinsebene nichts zu tun hat und sich
damit in die Lage versetzt, das von au.en nicht beurteilen
zu konnen, was er von innen infolge seiner Entscheidung
nicht erleben kann. |
Gnostisches, Reduktionistisches und Theotropes Prinzip
|
Um in der Gottesfrage uber die sozialen und psychologischen
Aspekte hinauszukommen, wenden wir die rationale Methode auf
die Erkenntnis Gottes an. Unsere Frage lautet also ganz
direkt:
Wer oder was ist Gott?
Die Beantwortung dieser Frage ist die innigste personliche
Entscheidung des Glaubigen. |
Entscheidet man zum Beispiel so, da. der Mensch ein Sklave
ist, so ist Gott der oberste Sklavenhalter. Entscheidet man,
da. der Mensch ein Lebewesen wie jedes andere ist, das durch
Gesetze der Natur, der Gesellschaft oder Psychologie
determiniert ist, kurzum, da. er ein Bio- und Sozioautomat
ist, dann braucht man keinen Gott. Entscheidet man uber den
Menschen, da. er ein Kind ist, dann sucht man in Gott einen
Vater. Sieht man den Menschen asthetisch und ordnet man ihn
nach funktionaler und asthetischer Optimierung, so braucht
man Gott als „Ma. aller Dinge“ und dadurch als „vollkommenstes
Wesen“. |
Fur jedes dieser Menschen- und Gottesbilder lassen sich
hypothetisch Argumente dafur und dagegen aufstellen, die
ihre Konsistenz uberprufbar machen. Unsere konsistente
Entscheidung deutet Gott als
sehr machtig,
aber nicht als allmachtig. Fur uns ist Gott machtig genug,
um Seinen Part im Vertrag mit dem Menschen gewissenhaft
auszuuben. |
Allgemein gesagt, kann sich der Mensch fur verschiedene
Auffassungen von Gott und Mensch entscheiden, so da. nicht
nur eine, sondern mehrere Entscheidungen im Prinzip
konsistent sein konnen. Deswegen ist die Konsistenz einer
Entscheidung zwar ein notwendiges Merkmal ihrer
Wahrhaftigkeit, aber bei weitem kein hinreichendes. So kann
man kein Urteil uber die Richtigkeit einer Auffassung
bezuglich Gottes alleine von der Tatsache ihrer Konsistenz
ableiten. |
Die Existenz Gottes oder Seine Nichtexistenz sind somit
ausschlie.lich Ergebnisse einer personlichen Entscheidung.
Wir erkennen diesen Sachverhalt mit der Einfuhrung des
Gnostischen Prinzips an:
Gott will erkannt und verstanden werden und ist deshalb
erkennbar.
|
Kaum jemand, der ernst genommen werden und nicht als
Ignorant erscheinen will, wurde bestreiten, da.
die Idee Gottes existiert.
Fur unser Theologem reicht das aus. Das
Gnostische
Prinzip
mit seinen Axiomen ist die Grundlage unserer Entscheidungen
uber Gott, uns selbst und die Welt. |
Wieso sind Fragen dieser Art uberhaupt entscheidbar? Ist
nicht bereits alles mit den ersten Sekunden der Evolution
bzw. der Schopfung entschieden worden? Lauft der Proze. des
Seins nicht nach den unverruckbaren Gesetzen der Natur ab?
Alle diese Fragen haben mit der
deterministischen Hypothese
in der einen oder anderen Form zu tun. Viele
Naturwissenschaftler und Philosophen begrunden ihre Variante
der deterministischen Hypothese mit dem
Reduktionistischen Prinzip.
Dem Reduktionistischen Prinzip entsprechend sind Ereignisse
auf einer Organisationsebene der Welt
ursachlich immer
zu den Ereignissen auf weiter unten liegenden
Organisationsebenen reduzierbar. |
Unsere Antwort darauf lautet:
Das Reduktionistische Prinzip ist eine kontextabhangige
Hypothese.
Es funktioniert
nur in speziellen Kontexten
und fur spezielle Fragestellungen, ist aber
nicht allgemeingultig.
|
Schon in den physikalischen Grundlagen der materiellen Welt
ist die prinzipielle Moglichkeit, Entscheidungen zu treffen,
enthalten. Neben materiellen Bestandteilen des Universums
und Verhaltnissen zwischen Ursachen und Wirkungen, die man
Naturgesetze nennt, gibt es weitere wirksame Elemente des
Seinsprozesses, die
Entscheidungstrager.
|
So gesehen ist Gott das oberste Entscheidungsparadigma.
Er ermoglicht unsere eigene Entscheidungsfreiheit im Gro.en
und im Kleinen, in unserem Alltagsleben und die
Entscheidungen uber unseren Glauben. Dank Gott als
Entscheidungsparadigma in uns konnen wir uns sehr wohl von
unseren biologischen und biographischen Umstanden losen und
uber uns selbst entscheiden – ob wir zum Beispiel das
Gnostische Prinzip anerkennen oder nicht. |
Wir ersetzen das Reduktionistische Prinzip des 19.
Jahrhunderts durch das Theotrope Prinzip. Das Theotrope
Prinzip entsteht als eine Antwort auf die Frage nach Ziel
und Sinn der Evolution und des gesamten Seins. Das
Theotrope
Prinzip
besteht darin, da. das ganze Sein und die Entwicklung der
Welt das
Werden Gottes zum Ziel
haben. |
Mit dem Theotropen Prinzip entwickeln wir die auch heute
verbreitete kabbalistische Idee von
Tikkun ha-Olam
weiter. Tikkun ha-Olam versteht sich als „heile Welt“ und
bedeutet bei Jizchak Lurja einen Weg zum Verstehen Gottes
und der Welt. Das ist der Weg zur Wiederherstellung
gestorter Verhaltnisse in der Welt. Er fuhrt zur Erkenntnis
Gottes und zur Gestaltung des menschlichen Verhaltens im
Sinne des Guten, der Liebe und der Gerechtigkeit.
|
Wir kritisieren an Lurjas kabbalistisch-mystischem Weltbild,
da. es eine ruckwarts gewandte Utopie ist, da. die
Verbesserung der Welt als Wiederherstellung und nicht als
Neuschopfung verstanden wird. Wir glauben nicht an die
Moglichkeit der Wiederherstellung. Wir glauben wohl an die
Moglichkeit der Sinnbildung und der Fortentwicklung der Welt
im Sinne Gottes und an die Entwicklung Gottes zusammen mit
der Welt. Wir glauben an den sich entwickelnden und
lernenden Gott. |
Au.erdem kritisieren wir den dualistischen Ansatz der
Kabbala, Gott und die Welt zu trennen. Zum einen bekennt
sich die Kabbala zur Allmacht Gottes. Zum anderen steht sie
vor dem Problem, da. der Allmachtige das Bose in der Welt
zula.t. Die Voraussetzung des uneingeschrankten Konnens
Gottes kollidiert mit der Erwartung des ebenso
uneingeschrankt Guten in Gottes Willen. Der rational
denkende moderne Mensch kann diese Vorstellungen nicht
vereinbaren. Er sieht sich vor eine Alternative gezwungen:
Entweder ist Gott letztlich nicht erkennbar oder ist die
Vorstellung Gottes ein Irrtum. |
Die Nichterkennbarkeit Gottes ist keine annehmbare Losung.
Der glaubige Mensch sieht sich als Partner Gottes im Sein,
als mundiger Soldat in der geistigen Armee Gottes. Aber
keineswegs als Sklave oder als willenlose Marionette. So wie
der Soldat in einem modernen Rechtsstaat den Befehl
verweigern mu., den er nicht als Mensch und Mitglied einer
Zivilgesellschaft mittragen kann, so mu. der
verantwortungsbewu.te Glaubige seinen Glauben als positives
und widerspruchfreies Wissen erleben. |
Die Kabbala entwickelt wissenschaftliche Methoden und die
produktive Begriffsbildung Gottes und der Welt. Den Einflu.
der Kabbala auf die Entwicklung einer rationalen Theologie (und
ubrigens auch der ganzen modernen Wissenschaft) schatzen wir
als sehr hoch ein und werden nicht mude, daraus stets zu
lernen. |
Die Kabbala hat sowohl mystische als auch wissenschaftliche
Seiten. Die mystische Seite der |
Kabbala erlebt seit dem Mittelalter einen solchen Hohenflug,
da. die kabbalistische Mystik sogar den esoterischen
Mi.brauch und die gewinnbringende Vermarktung erleiden mu..
Unser Anliegen ist, die wissenschaftliche Seite der Kabbala
mit dem Erfahrungsschatz der modernen Wissenschaften zu
pflegen und weiterzuentwickeln. |
Das Theotrope Prinzip druckt den Glauben aus, da. der Sinn
des Seins in Gott liegt und da. das Werden Gottes das Ziel
der Entwicklung der Welt darstellt. Das Theotrope Prinzip
widerspricht dem Tikkun ha-Olam im Gro.en und Ganzen nicht.
Es verzichtet jedoch auf die Verklarung der harmonisch
geglaubten Vergangenheit und setzt konsequent auf die
Zukunft. |
Theologie –
eine Sache der Vernunft |
Warum braucht man eine Theologie? Glauben kann man auch
unmittelbar, ohne feine Begriffsbildung, ohne Zweifel, ohne
sich selbst und seinen Glauben in Frage zu stellen. Wie
bequem! Theologie beschaftigt sich gerade mit solchen
Unbequemlichkeiten wie Zweifel und Korrektheit der Begriffe
und Glaubensgrundsatze und macht das Leben lastig, aber
dafur verantwortungsvoll. Sie erschwert das unuberlegte
Handeln und stellt sich dem verbreiteten Irrtum in den Weg:
„Wenn B aus A folgt und B bequem (angenehm, nutzlich,
dienlich usw.) ist, dann ist A wahr (richtig, sinnvoll, etc.)“.
|
Die Fundamentalisten aller Welt und jeglicher Couleur sind
auf keine Theologie angewiesen oder nur pro forma. Denn sie
wahnen sich im Besitze der absoluten Wahrheit und betrachten
die Abwesenheit jeden Zweifels als Tugend. Die Konsistenz
ihrer Ansichten verblendet sie und macht sie unfahig, eigene
Entscheidungen im komplexen Proze. des Lebens zu treffen.
Statt dessen werden sie zu willfahrigen Marionetten und
lassen ihre Religiositat fur politische und extremistische
Ziele mi.brauchen. |
In der Regel verursachen extremistische Fundamentalisten den
Tod und die Schandung der Menschenwurde vollig im Gegensinn
zu der Religion, in deren Namen sie handeln. Ohne eine reife
Theologie treffen sie eine Entscheidung, und zwar eine
simple, durch die sie sich zu Sklaven machen. Im Namen
Gottes machen sie sich zu morderischen und
selbstmorderischen Automaten im Dienste zweifelhafter
irdischer Interessen. |
Wenn wir hier uber die Rationale Theologie des Judentums
sprechen, so meinen wir keineswegs, da. es Rationale
Theologie nur innerhalb des Judentums gebe. Rationale
Elemente und Bestrebungen gab und gibt es in
allen
bedeutenden Religionen. So stiftete zum Beispiel die
Madhyamaka-Schule des Mahayana Buddhismus einen
vernunftgema.en Zugang zu religioser und mystischer
Erfahrung. Das neu entstehende Christentum des Paulus
richtete sich vor allem an hellenistische Philosophen.
|
Auch der Mithras-Kult der romischen Soldaten erscheint in
einem klaren Licht, wenn man erfahrt, da. der Name „Mithras“
Vertrag bedeutet. Denn ein Vertrag als Grundlage der
Beziehung zwischen Mensch und Gott ist in jedem Fall
rational. Gnostische Stromungen in der Nachfolge Platons und
Plotins entwarfen gro.angelegte Panoramen von Welt und Seele.
Den Rang eines Prinzips erhielt der rationale Zugang zu den
Glaubensfragen mit der Kalam-Bewegung im Islam des fruhen
Mittelalters. Das alles bildete den geistigen Hintergrund
und den historischen Kontext des sich zuvor und parallel
entwickelnden klassisch rabbinischen Judentums. |
Das religiose Paradigma des Judentums beruht auf dem
Bund
Gottes mit dem Volk Israel, vertreten durch jeden einzelnen
Juden.
Der Bund ist ein Vertrag.
Er setzt den freien Willen auf beiden Seiten voraus, sowie
Entscheidungs- und Vertragsfahigkeit. |
Das Konzept Gottes in der Rationalen Theologie geht von der
Transzendenz Gottes aus. Anstelle der traditionellen
Absolutheit Gottes ergibt sich in der Rationalen Theologie,
da. Gott im Gegensatz zur verbreiteten Ansicht „absolut“
kontextabhangig ist. Die Allheitsquantoren wie
allmachtig,
allwissend,
allgegenwartig
usw. sind deshalb auf Gott nicht anwendbar. Nur so kann Gott
ein personlicher Gott sein, der sich im Kontext jedes
einzelnen verwirklichen kann. |
Heute ist die Zeit fur die Einsicht gekommen, da. das
Wichtigste im Leben eines Juden die personliche Entscheidung
fur den Vertrag mit Gott ist sowie die entsprechende
Umsetzung dieser Entscheidung in seinem eigenen Leben.
Inhaltlich ist dieser Vertrag, ganz allgemein gesagt, dem
Leben und der Wahrung der Menschenwurde verpflichtet. Die
Maxime von Hillel „Tue
dem anderen das nicht an, was du nicht willst, da. es dir
angetan werde!“
bleibt eine zentrale bindende Botschaft des gesamten
Judentums. |
Der Tradition folgend zahlen wir die Glaubensartikel fur
unsere Auffassung der Rationalen Theologie des Judentums
verkurzt und vereinfacht auf: |
(1) Gott will erkannt und verstanden werden und ist
deshalb erkennbar.
|
(2) Der Herr ist unser Gott. Gott ist Einer.
|
(3) Gott ist Ziel und Zweck alles Seins und Werdens.
|
(4) Gott ist machtig genug, aber nicht allmachtig.
|
(5) Gott verletzt keine Naturgesetze.
|
(6) Gott ist Seinen Versprechen treu. Er halt sich an
die Verpflichtungen, die Er auf Sich genommen hat.
|
(7) Gott wirkt durch Seinen Namen und Sein Beispiel.
|
(8) Gott hat Sich fur das Sein und fur das Gute
entschieden. Das Leben ist Ihm heilig.
|
(9) Jeder Mensch kann nach dem Vorbild Gottes in
seinen Entscheidungen frei sein, wenn er sich fur die
Entscheidungsfreiheit entscheidet.
|
(10) Entscheidet sich ein Mensch fur das Gute, so tritt
er in den Vertrag mit Gott ein. Im Vertrag zwischen Gott und
Mensch sind beide zwar ungleich, aber gleichberechtigt.
|
(11) Jude ist, wer in den Vertrag Gottes mit dem Volk
Israel eintritt, sei es durch Geburt oder durch Ubertritt.
|
(12) Das Volk Israel ist verpflichtet, die Verantwortung
fur sein Uberleben selbst zu ubernehmen und sein Erbe
weiterzugeben.
|
(13) Wenn alle Entscheider in der Welt ihre
Entscheidungen im Sinne Gottes treffen, dann kommt die
messianische Zeit. |
In der Ausgabe vom Juli 2007 schreibt diese Zeitung (Seite
19, „Weltjudentum oder Schtetl?): „Dass niemand aus dem
Kreis der russischsprachigen Zuwanderer auf einem Podium <der
4.“Tarbut“-Konferenz > sa., fiel auf, da. niemand die Frage
stellte, welche Formen judischer |
Religiositat diesen Zuwanderern in Deutschland vermittelt
werden und in welche religiose Tradition sie sich stellen,
gibt zu denken.“ |
In dem Ansatz der Rationalen Theologie sehen wir keine
Offenbarung, sondern die Erkenntnisarbeit der Seele und der
Vernunft. Wir laden alle an den Fundamenten des Glaubens
Interessierten, an der Diskussion uber die Rationale
Theologie des Judentums teilzunehmen, um das
wissenschaftliche Weltbild im Judentum zu integrieren und
weiterzuentwickeln. |
Wir stellen uns in die Tradition der Rationalen Theologie
des Judentums.
Einige
Stationen
auf dem Wege
zur Rationalen Theologie
sind:
Hebraische Bibel;
Philon der Jude von Alexandria (13 v.u.Z. – 45/50 u.Z.);
Jehuda ha-Nassi und die Tannaiten (1.-3. Jh. u.Z.) sowie die
ganze talmudische Tradition; Saadja ben Josef Gaon
(882-942); Mose ben Maimon (11351204);
das Buch Sohar
(2. bis 14. Jh.); Mose ben Jakob (Josef?) Cordovero
(1522-1570); Jizchak ben Salomon Lurja von Zfat (1534-1572);
Baruch Spinoza (1632-1677); Moses Mendelssohn (1729-1786);
Schneur Salman aus Ladi (1746-1812); Leopold Zunz
(17941886); Abraham Geiger (1810-1874); Hermann Cohen
(1842-1918); Abraham Isaak Kuk (Kook, 1865-1935); Hans Jonas
(1903-1993). |
Das Skript kann im vollen Umfang aus dem Internet geladen
und gedruckt werden: www.schapiro.org/boris/Rationale_Theologie
|
|
|
|
|
|
|
Шапиро
Борис (Барух) Израилевич родился 21 апреля 1944 года в Москве.
Окончил физический факультет МГУ (1968). Женившись на немке, эмигрировал
(декабрь 1975) в ФРГ, где защитил докторскую диссертацию по физике в
Тюбингенском университете (1979). В 1981–1987 годах работал в
Регенсбургском университете, занимаясь исследованиями в области
теоретической физики и математической динамики языка, затем был
начальником теоретического отдела в Институте медицинских и
естественно-научных исследований в Ройтлингене, директором
координационного штаба по научной и технологической кооперации Германии
со странами СНГ.
В 1964–1965 годах создал на физфаке МГУ поэтический
семинар «Кленовый лист», участники которого выпускали настенные отчеты в
стихах, устраивали чтения, дважды (1964 и 1965) организовали поэтические
фестивали, пытались создать поэтический театр. В Регенсбурге стал
организатором «Регенсбургских поэтических чтений» (1982–1986) – прошло
29 поэтических представлений с немецкоязычными лириками, переводчиками и
литературоведами из Германии, Франции, Австрии и Швейцарии. В 1990 году
создал немецкое общество WTK (Wissenschaft-Technologie-Kultur e. V.),
которое поддерживает литераторов, художников, устраивает чтения,
выставки, публикует поэтические сборники, проводит семинары и
конференции, организует научную деятельность (прежде всего для изучения
ментальности), деньги на это общество пытается зарабатывать с помощью
трансфера технологий из науки в промышленность. Первая книга стихов
Шапиро вышла на немецком языке: Metamorphosenkorn (Tubingen, 1981). Его
русские стихи опубликованы в сборниках: Соло на флейте (Мюнхен, 1984);
то же (СПб.: Петрополь, 1991); Две луны (М.: Ной, 1995), Предрассудок
(СПб: Алетейя, 2008); Тринадцать: Поэмы и эссе о поэзии (СПб: Алетейя,
2008), включены в антологию «Освобожденный Улисс».(М.:
НЛО, 2004). По оценке Данилы Давыдова, «Борис Шапиро работает на
столкновении двух вроде бы сильно расходящихся традиций: лирической
пронзительной простоты „парижской ноты“ и лианозовского конкретизма»
(«Книжное обозрение», 2008, № 12). Шапиро – член Европейского
Физического общества (European Physical Society, EPS), Немецкого
Физического общества (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V., DPG),
Немецкого общества языковедения (Deutsche Gesellschaft fur
Sprachwissenschaften e. V., DGfS); Международного ПЕН-клуба, Союза
литераторов России (1991). Он отмечен немецкими литературными премиями –
фонда искусств Плаас (1984), Международного ПЕН-клуба (1998), Гильдии
искусств Германии (1999), фонда К. Аденауэра (2000).
|
|
|